Klarstellung des Bundesarbeitsgerichtes zu Überstunden:

Das Arbeitsgericht Emden hatte zunächst in der 1. Instanz einem Kläger seine geltend gemachte Überstundenvergütung zugesprochen, weil nach der vom Arbeitsgericht Emden vertretenen Meinung der Arbeitgeber verpflichtet sei, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen und der Arbeitgeber dadurch hätte feststellen können, dass Mehrarbeit geleistet wurde (Urteil Arbeitsgericht Emden vom 09.11.2020, Az.: 2 Ca 399/18). Für eine begründete Überstundenklage sei deshalb lediglich die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen.

Bereits das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 06.05.2021, Az.: 5 SA 1292/20) hatte diese fehlerhafte Argumentation des Arbeitsgerichts Emden verworfen und das Urteil aufgehoben. Die dagegen gerichtete Revision des Klägers hatte keinen Erfolg:

Der Bundesgerichtshof  (Urteil vom 04.05.2022, Az.: 5 AZR 359/21) hat jetzt klargestellt, dass auch weiterhin Arbeitnehmer im Detail die arbeitgeberseitige Veranlassung und Zurechnung von Überstunden unter Darstellung der üblichen konkreten Arbeitszeit und der darüberhinausgehenden Arbeitszeit konkret darstellen müssen. Dies hat sich auch durch die Rechtsprechung des EuGH nicht geändert. Die vom EuGH begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit hat keine Auswirkungen auf die nach deutschem Recht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess.

Es gilt somit weiterhin: Der Arbeitnehmer muss substantiiert vortragen, an welchen Tagen er von wann bis wann gearbeitet hat und aufgrund welcher Weisung er sich zur Arbeit bereitgehalten oder die Mehrarbeit geleistet hat. Trägt der Arbeitgeber hierauf ebenfalls substantiiert vor, so ist unter Berücksichtigung der betrieblichen Abläufe und der Art der Tätigkeit dann vom Arbeitnehmer hierauf unter konkreter Darlegung der Umstände und der Notwendigkeit und Akzeptanz der Überstunden zu reagieren, also unter Beweisantritt vorzutragen. Abgerechnete Mehrarbeit oder die durch einen Arbeitszeitnachweis bestätigten und/oder abgezeichneten Arbeitszeiten wiederlegen jedoch in der Regel das Bestreiten des Arbeitgebers.

Warum ist die dargestellte Rechtsfrage so wichtig? Bei der Geltendmachung von Überstunden muss entgegen der Meinung des Arbeitsgerichtes Emden kein Negativbeweis des Arbeitgebers durch Zeiterfassung erfolgen, sodass nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichtes der Arbeitnehmer jede einzelne Minute seiner behaupteten Mehrarbeit auch tatsächlich darlegen und beweisen muss. Dies ist in der Praxis sehr schwierig, weshalb Arbeitnehmer bei Streit über Mehrarbeit auch zukünftig nur sehr schwer ihre geltend gemachten Ansprüche durchsetzen können.